Der mazedonische Weinbau ist im Umbruch. Die Qualität der Weine hat in den letzten Jahren massiv zugelegt. Und mit den vollmundigen Rotweinen, die aus der Sorte Vranec gekeltert werden, hat die Region ein ähnliches Alleinstellungsmerkmal wie das argentinische Mendoza mit dem Malbec.
Die mazedonischen Winzer sind stolz auf die lange Tradition des Weinbaus in ihrem Land. Überhaupt wird hier Geschichte generell gross geschrieben. Besonders in der Hauptstadt Skopje sind die berühmten Söhne des Landes allgegenwärtig. Das beweisen die Statuen von Philipp II. und Alexander dem Großen. Mazedonien, oder genauer gesagt die Republik Nordmazedonien, wie das Land seit Februar 2019 offiziell heißt, ist eine der ältesten Weinregionen der Welt. Mit seiner dreitausendjährigen Weinkultur steht das Land in der ersten Reihe der historischen Weinländer, wie Griechenland oder Italien. Schon in der Antike, aber auch im Mittelalter, ja sogar während der osmanischen Dominanz auf dem Balkan, waren die Weine aus Mazedonien äußerst gefragt. In der Neuzeit, vor allem nach einem turbulenten 20. Jahrhundert mit Kriegen und einer langen kommunistischen Ära, entsteht hier gerade ein neues Weindenken.
Anbaugebiet Nordmazedonien
Bevölkerung 2 Millionen
Gesamtfläche 25 300 km²
Rebfläche 33 423 Hektar
Klima Kontinental mit heissen und trockenen Sommern und kalten niederschlagsreichen Wintern
Böden Schwemmlandböden, Kalk, Lehm
Weinproduktion 91 Millionen Liter, davon gehen 85 Prozent in den Export
Wichtigste Rebsorten Vranec, Smederevka, Kratosija, internationale Sorten
Der Markt ruft
Der nordmazedonische Weinbau steckt inmitten einer dynamischen Umstrukturierungsphase. Kellereien, die noch vor wenigen Jahrzehnten hauptsächlich billigen Wein für die durstigen sozialistischen Bruderstaaten produziert haben, sind jetzt international tätig und versuchen sich neu zu positionieren. Unbekannte Rebsorten und das kyrillische Alphabet auf den Etiketten erschweren zwar dieses Unterfangen, aber die Bemühungen im Export tragen doch erste Früchte. Hilfreich ist, dass sich die Betriebe zwar intensiv mit ihren alteingesessenen Sorten beschäftigen, gleichzeitig mit Merlot, Syrah und Co. mehr Internationalität in ihre Flaschen bringen. Diese Weine aus internationalen Sorten zeigen, wo der nordmazedonische Weinbau heute qualitativ steht und sind wichtige Türöffner in neue Märkte.
Erster «World Vranec Day»
Trotzdem sind lokale Spezialitäten wie Vranec und Kratosija gefragter denn je. Was Malbec für Argentinien bedeutet oder Zinfandel für Kalifornien, das könnte Vranec für Nordmazedonien sein. Der 2019 zum ersten Mal in Skopje mit internationaler Beteiligung durchgeführte «World Vranec Day» war ein deutliches Zeichen, das man sich in diese Richtung entwickeln möchte. Wer die nordmazedonischen Weinbaugebiete kennenlernen will, fährt von der Hauptstadt Skopje aus südwärts. Es präsentiert sich ein herrliches Land voller Farben. Die Strasse führt durch bewaldete Berghänge, Mais und Tabakfelder, überquert einige Male den Vardar-Fluss und erreicht schliesslich die ersten Rebberge. Kleine Parzellen an den Hängen wechseln sich mit grossen zusammenhängenden Weingärten ab. Traditionell werden die Trauben seit Jahrhunderten von Hand gelesen, behutsam in Kisten gelegt und auf die bereitgestellten Wagen verladen. Auch der eine oder andere moderne Vollernter ist im Einsatz, doch als Kontrast dazu gibt es immer noch die mit Trauben beladenen Karren, die von Eseln gezogen werden. Die Kutscher, meist mit Hut und brennender Zigarette, grüssen freundlich, während sie ihr Gefährt in gemächlichem Tempo zum Keller lotsen.
«Starker schwarzer Hengst»
Nicht das die Cabernets und Chardonnays von hier langweilig wären, aber besonders interessant ist, was heute aus den alten lokalen Sorten gekeltert wird. Und die gibt es reichlich. Die Sorte «Vranec», die mit 10800 Hektar ein Drittel der gesamten Rebfläche belegt, steht dabei im besonderen Fokus. Ursprünglich aus Montenegro stammend, wird Vranec, auch Vranac genannt, nicht nur in Nordmazedonien sondern in kleineren Mengen im ganzen Balkangebiet angebaut. Die Geschichte der Sorte ist erst bruchstückhaft erforscht. Eines fällt jedoch relativ schnell auf. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Primitivo im Aussehen, aber auch im Geschmack, ist da. Und das ist kein Zufall. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt das Vranec durch natürliche Mutation aus der ebenfalls auf dem Balkan beheimateten Sorte Kratosija entstanden ist und diese wiederum mit Crljenak Kastelanski, Tribidrag, Primitivo oder Zinfandel identisch ist. Der Name Vranec bedeutet so viel wie «starker, schwarzer Hengst» und präsentiert sich dementsprechend. Tiefdunkle Farbe, gepaart mit fester Tanninstruktur, mittlerer Säure, kompaktem Körper und einem leichten Hang zur Überreife wird er nicht nur reinsortig, sondern immer öfter auch als Partner von Cabernet und Merlot eingesetzt. Doch nicht nur der Vranec sorgt für Spannung. Andere Rebsorten wie Prokupec, Stanushina oder die weissen Sorten Smederevka, Temjanika oder Zilavka haben ebenfalls viel noch nicht ausgeschöpftes Potenzial.
Weinfluss Vardar
Wer durch das Zentrum des nordmazedonischen Weinbaus reist, kreuzt immer wieder den Fluss Vardar. Er ist die zentrale Lebensader des Landes und windet sich durch beinahe alle Regionen, in denen hier Wein angebaut wird. Der Fluss ist Namensgeber für die wichtigste Weinregion des Landes und versorgt die Weinberge und andere Nutzflächen mit dem dringend benötigten Wasser. Laut offiziellen Zahlen wird gegenwärtig auf 33423 Hektar Wein angebaut. Die Rebfläche verteilt sich auf drei Weinregionen und 16 Distrikte. Das mit Abstand grösste und bekannteste Gebiet ist das Varda River Valley mit seiner Unterregion Tikves, wo auch einige der wichtigsten Kellereien beheimatet sind. Das kontinentale, trockene Klima sorgt für hohe Temperaturen während des Sommers. An gut 280 Tagen pro Jahr scheint die Sonne, Tendenz steigend. Das lässt die Winzer aber auch den Fluss an ihre Grenzen stossen. Moderne Bewässerungsmethoden sind inzwischen nicht nur nötig, sondern fast überall Realität. Auch die Kellereien sind technisch zunehmend auf dem neuesten Stand, die Önologen bestens ausgebildet und international erfahren. Gesamthaft werden rund 91 Millionen Liter Wein abgefüllt. Der Anteil an Flaschenweinen liegt aktuell bei erst 40 Prozent, glücklicherweise mit steigendem Anteil. 85 Prozent der Weine werden exportiert.
Die Leitsorte VRANEC
Name Der Name Vranec bedeutet «starker schwarzer Hengst»
Ursprung In Montenegro als spontane Kreuzung/Mutation aus der Sorte Kratosija (auch Crljenak Kastelanski, Tribidrag, Primitivo, Zinfandel).
Merkmale Wärmeliebende Sorte. Anfällig auf Winterfrost. Mittelgrosse runde Beeren. Intensive dunkle Farbe der Haut, kompakte Tannine, mittlere Säure.
Geschmacksbild Tiefdunkle Farbe. Intensive Aromen von überreifen Erdbeeren und dunklen Waldfrüchten. Voller Körper, mit kompakten Tanninen und dezenter Säurestruktur. Gutes Lagerpotenzial und häufiger Cuvée-Partner von Cabernet und Merlot.
Anbaufläche Nordmazedonien: 11 800 ha, Montenegro: 3600 ha, Bosnien: 480 ha, Kosovo: 478 ha, Serbien: 120 ha.
Weinregionen
Vardar River Valley
Zentrale Region entlang des Vardar-Flusses mit 25000 Hektar Rebfläche. Zentrum des nordmazedonischen Weinbaus. Lage der Rebberge zwischen 100 bis 600 Meter über Meer. Klima: Kontinental, 280 Sonnentage im Jahr. Es dominieren Schwemmböden mit Lehm und Sand. Die wichtigsten weissen Sorten sind Smederevka, Riesling, Chardonnay, Temjanika, usw. Bei den Roten dominieren Vranec, Kratosija, Cabernet Sauvignon, Merlot, Prokupec.
Pelagonija-Polog
Kleine Region im Süden und Südwesten des Landes (6,4 Prozent der Gesamtanbaufläche). Die Rebberge liegen zwischen 600 und 680 Meter über Meer auf einer Hochebene. Kontinentales Klima mit heissen und trockenen Sommern und kalten Wintern.
Klima: Kontinental. Geprägt von kalten und feuchten Wintern sowie heissen und trockenen Sommern. Fruchtbare Böden (Chernozem) mit hohem Tonanteil. Bei den weissen Sorten dominieren Riesling, Chardonnay, Sauvignon Blanc, Zhilavka und Smederevka. Rotweine werden aus Cabernet Sauvignon, Gamay, Merlot, Pinot Noir, Prokupec und Vranec gekeltert.
Pcinja-Osogovo
Kleines Gebiet im Nordosten des Landes (6 Prozent der Gesamtanbaufläche). Die Reben liegen zwischen 440 und 850 Meter über Meer. Klima: Kontinentales Klima mit etwas tieferen Temperaturen als in der Zentralregion. Es dominieren Schwemmlandböden mit Kalk. Weissweine werden vorwiegend aus Muscat Ottonel, Sauvignon Blanc, Riesling und Zilavka gekeltert, Rotweine aus Cabernet Sauvignon, Gamay Noir, Gamay Pinot Noir und Vranec.
Die Macher
Es sind im Moment die grossen Weingüter, die im Land den Takt vorgeben. Kellereien wie Tikves Winery, Bovin, Dalvina oder Stobi beschäftigen sich intensiv mit veränderten Klimadaten, biologischem Anbau, autochthonen Rebsorten, neue Märkten, Trends und der Pflege von Traditionen und natürlich der Zukunft der Leitsorte Vranec.